Wege zum Himmel

„Der neue Pfarrer ist zum ersten Mal in der Stadt unterwegs. Er fragt einen kleinen Jungen, wo es zum Bahnhof geht. Der Junge erklärt ihm den Weg, woraufhin der Pfarrer freundlich sagt: ‚Danke, mein Sohn. Dafür werde ich dir am Sonntag in der Kirche auch erklären, wie man in den Himmel kommt!‘ Der Junge schaut ihn ungläubig an und meint: ‚Sie wollen mir erklären, wie man in den Himmel kommt, dabei wissen Sie noch nicht mal den Weg zum Bahnhof??!‘ Eine herrliche Pointe. Dass dieser Witz es bis in die Kirchenzeitung meines Erzbistums geschafft hat, lässt wahlweise hoffen, dass eine selbstironische Betrachtungsweise auch in der ostwestfälischen Kirche langsam aber sicher mehr Fahrt aufnimmt, oder befürchten, dass der Redakteur bzw. die Redakteurin bei der Auswahl des Witzes keine größeren inhaltlichen Überlegungen angestellt hat.

Wie dem auch sei. Witze zu erklären ist im Grunde ebenso falsch, wie überall nach einem Haar in der Suppe zu suchen, und das Negative heraus zu stellen. „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen“ sagt ein Sprichwort. Vielleicht ist der Weg zum Himmel ja schlicht und ergreifend das Gegenteil: Bunt dekoriert mit über Bord geworfenen Prinzipien, und von Herzen kommenden Abweichungen von der Regel. Mit Päpsten, die öffentlich Beichte hören, und sich dabei gerne mit den beichtenden Jugendlichen fotografieren lassen. Weil so ein strahlendes Gesicht und ein schönes Foto mit einer jungen Frau eben ein unendlich positiveres Bild von Kirche vermitteln als glatzköpfige Männerrücken im Goldbrokat vor einem tridentinischen Hochaltar.

Nein, dies soll nicht die Frömmigkeit derjenigen abwerten, die sich in der traditionellen Liturgie beheimatet fühlen. Im Gegenteil. Mein Plädoyer lautet: „Viel mehr Vielfalt“. Eine Kirche, die Wege ebnet, Türen öffnet, und die immer wieder Menschen herein bittet, statt sie auszuschließen. Das wäre für mich eine paradiesische Zukunftsvision. Vielleicht stünde dann am Ende ja die Entdeckung, dass es gar nicht nur einen Weg, sondern viele Wege zum Himmel gibt. Und dass die göttliche Phantasie ausgereicht hat, auch Muslime, Buddhisten und Hindus auf besondere Weise an das gleiche Ziel zu führen.