Von Sonntagsfahrern und Übergangsjacken

Klar regen mich Sonntagsfahrer auf. Der da vorne ganz besonders. Mann, geht das nicht schneller? Immer dieses Bremsen, schon hundert Meter vor der gelben Ampel. Könnte ja in den nächsten zehn Minuten rot werden. Und dann ständig das ruckelige Anfahren. Bestimmt irgendein Rentner, so einer mit Hut und mit beigefarbener Windjacke. Übergangsjacke nennt man die auch. Ich könnte jedes Mal ausrasten, wenn ich so einen vor mir habe. Sonntagvormittags, da haben die ihre ganz große Zeit. Zum Kotzen.

Endlich die Chance zum Überholen. Im Rückspiegel noch mal den Fahrer scharf ins Visier nehmen. Oh, es sind zwei, ein Ehepaar. Die Frau fährt, mit den Händen ängstlich ums Lenkrad. Tja, bestimmt darf die nur sonntags die Familienkutsche aus der Garage holen. Nein, anders: Er holt das Auto raus, dann steigt er um auf den Beifahrersitz. Und macht ihr die ganze Zeit Vorschriften, wie sie fahren soll. Da würde ich auch unsicher werden. Die kann einem ja fast schon leid tun, wie sie da so unselbständig hinter dem Steuer hängt.

Mit jedem zusätzlichen km/h wird der Abstand größer. Geschichten, die das Leben schreibt, denke ich nur so. Vielleicht ist ja auch alles ganz anders: Er hat in den letzten Monaten abgebaut, warum auch immer, und kann nicht mehr Auto fahren. Sagt zu ihr: „Du musst jetzt ran, es hilft nichts. Wie soll es sonst demnächst gehen?“ Sie nimmt ihren Mut zusammen, und meint: „Aber erstmal am Sonntagvormittag üben, da sind nicht so viele Leute unterwegs. Du musst daneben sitzen, falls etwas ist.“

Oder, nein, das gefällt mir viel besser: Vielleicht war die Stimmung beim Frühstück gut. So richtig ausgelassen. Weil das ältere Leute auch können, so wie pubertierende Teenager herum albern. Manchmal jedenfalls. Und dann sagt er plötzlich zu ihr: „Komm, heute fährst du mal. Bist doch früher immer so gern mit dem Auto gefahren. Ging ja nicht die letzten Jahre wegen der Arbeit. Aber heute fährst du mal.“ Sie lacht und will nicht recht. Und irgendwie doch. „Also los, komm“. Auch wenn ihr das Herz bis in den Hals klopft: Versuchen kann man’s ja mal.

Macht irgendwie auch Spaß, bisschen wie früher. Was wohl die anderen Leute denken? Der junge Mann gerade an der Ampel, der hat so böse geguckt. Ob das wirklich eine gute Idee war? Ich bin da ganz schön unsicher, beim Bremsen, beim Anfahren. Da vorne kommt schon wieder eine Ampel. Die springt bestimmt gleich auf Rot. „Geht doch ganz gut“ Ich bin froh, dass ich ihn habe. Ein bisschen muss sie jetzt lachen, wegen der Übergangsjacke, die über dem Bauch spannt. „Was ist denn?“ – „Nichts, gar nichts“