Manchmal denke ich, ich bin als Pädagoge ziemlich ungeeignet. Einfach deswegen, weil meine Erwartungen an die Kinder und Jugendlichen immer niedriger sind als an mich selbst. Oder an meine erwachsenen Kollegen. Ich denke, man kann keinem Kind oder Jugendlichen Respektlosigkeit vorwerfen, so lange man sich selber total respektlos verhält. Man sollte keine ehrliche Kooperation erwarten, wenn man seinen eigenen Teil des Deals nicht einzulösen bereit ist. Lauter solche Sachen. Ich hebe die Kids damit viel zu sehr auf meine Ebene – oder begebe mich runter auf ihre. Das ist offenbar ein Fehler.
Viele Dinge funktionieren dadurch nämlich nicht. Mein Problem ist: Ich habe nicht dieses „Mir egal, es sind nur dumme Kinder“- Gen. Und ja, verdammt noch mal, die Kinder und Jugendlichen spüren das offenbar. Wie Raubtiere auf der Suche nach Beute merken sie: Bei dem können wir mit unseren Problemen landen. Und dann kommt es meist knüppeldick. Sie erzählen das, was sie denken und fühlen. Und bei mir schlägt das ein wie eine Bombe.
Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe keine Angst, manipuliert zu werden. Das Meiste durchschaue ich, und der Rest ist oft so unbedeutend, dass ich mich gedanklich gar nicht groß damit abgebe. Aber wenn es ans Eingemachte geht, vor allem um Konflikte zwischen Kindern und Kollegen, dann stehe ich intuitiv meist auf der Seite der Kids. Ich denke: „Hey Mann, du bist der Größere. Du hast 20-30 Jahre Lebenserfahrung mehr auf dem Buckel. Dir müsste klar sein, dass der dich gerade nur provozieren will.“ Ist es aber oft nicht. Und da liegt mein Problem.
Pädagogisch wäre vermutlich, Grenzen zu setzen. Auf die Einhaltung von Regeln zu pochen. Vorhandene Standards einzufordern. Was auch immer. Während Andere sich damit beschäftigen, bin ich in Gedanken immer schon einen Schritt weiter. Ich analysiere die Situation. Ich frage mich, wodurch der Beziehungsabbruch eingeläutet wurde bei diesem konkreten Kind oder Jugendlichen. Was sein früheres Vertrauen in die Erwachsenen so nachhaltig zerstört hat, dass es nur noch respektlos und unkooperativ (re)agieren kann. Wie man dieses Vertrauen vielleicht wieder herstellen könnte.
Und während ich noch darüber nachdenke, haben sie längst bei mir im Büro gegessen und getrunken, ihre Jacken und Kappen anbehalten, eine Stunde Unterricht versäumt. Und vermutlich gemerkt, wie total unpädagogisch ich bin.