Emmausgedanken

Was hab ich dieses Jahr lange gebraucht für meinen Ostertext. Heute ist schon der dritte Tag, den ich am Schreibtisch sitze, und angestrengt versuche, meine Gedanken und Gefühle zu Ostern in angemessene Worte zu fassen. Meine virtuellen Freunde posten anspruchsvolle theologische Zitate, hübsch dekorierte Kreuzenthüllungen, mehrgängige Festmenüs, oder kleine süße Häschen zum Anbeißen. Ich weiß gar nicht, was ich diesem österlichen Sammelsurium noch sinnvoll hinzufügen soll. Ist doch irgendwie schon alles gesagt, alles geschrieben und alles gepostet. Vieles sogar mehrmals.

Vielleicht in Bibelspruch? Ein Zitat aus der Liturgie? Die selbst gefärbten Ostereier am Forsythienzweig im Wohnzimmer? Wie einfallslos. Ostern kommt alle Jahre wieder. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und damit kommen auch die gleichen Texte, Liedverse und Bilder zurück. Christi Auferstehung in Endlosschleife sozusagen. Wie gerne würde ich diesen ausgetretenen Weg verlassen, mal etwas Neues finden, was noch niemand vorher gesagt oder gedacht hat. Aber schon während ich diese Worte schreibe, regt mich mein eigener Tonfall wieder auf: Viel zu salbungsvoll, viel zu beweihräuchernd. „Das Grab ist leer, der Held erwacht“ Jaja. Sicher. Ich weiß. Kennt man doch alles.

Als Priester wäre ich mit Sicherheit ein sehr langweiliger Prediger geworden, so wie manche Anderen auch. Ich hätte mir nicht gerne zuhören wollen. Meiner Eitelkeit hätte es vermutlich geschmeichelt, wenn mir Sonntag für Sonntag Menschen aufs Maul geschaut hätten. Aber ob das irgendwen weiter gebracht hätte? Am Ende wäre vermutlich auch nur das Gleiche raus gekommen wie überall: „Jesus lebt, er lebt in uns, in dir und mir. Er geht mit uns auf den Wegen unseres Lebens, durch alle Dunkelheiten hindurch, hinein in das tröstende Licht des Ostermorgens.“ Gähn.

Da war es doch irgendwie Glück für mich – und für die Anderen -, dass jedes Mal, wenn ich kurz davor war, als Priester anzuheuern, was dazwischen gefunkt ist. Ein anderer Mensch. Eine überraschende Begegnung. Oder mein eigenes Ich. Immer dann, wenn ich mich selbst auf der Gewinnerspur gesehen habe, hat mich das Leben quasi augebremst. Und auf eine neue Fährte gesetzt. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde: Das hat nicht verdammt weh getan. Die Momente an sich. Und dann noch dazu die mitleidigen Blicke von Manchen: Der Volker. Wieder mal hat er aufs falsche Pferd gesetzt. Muss ja auch was mit ihm und seiner Person zu tun gehabt haben. Liegt nicht immer nur an den Anderen. Kennt man doch alles.

Ich weiß nicht, ob man mir glaubt – ob ich es mir selber glauben würde: Das musste alles so sein. Im Rückblick bin ich froh über den Weg, den ich gegangen bin. Ich bin dankbar für manche schrägen Vögel, die mir begegnet sind. Für die Menschen, die mir die Augen geöffnet haben. Und für die Erfahrungen, die es mir möglich gemacht haben, mich aus dem viel zu engen Korsett meines kindlich gefärbten Osterglaubens zu befreien. Immer wieder hat mich mein persönlicher Karfreitag neu ins Leben gestoßen. Zu neuen Ufern aufbrechen lassen. Und ich bin mir sicher: Das wird mein Leben lang so weiter gehen.