Die meisten Dinge in unserem Leben scheitern daran, dass wir Wege gehen, aber sie nicht bis zum Ende gehen. Dass wir dann, wenn es hart wird, wenn sich erste negative Konsequenzen zeigen, den neu begonnenen Weg abbrechen. Und zurückkehren zu dem, was wir immer schon so – oder so ähnlich – gemacht haben. Das Tragische ist: Wir erfahren dadurch nie etwas Neues.
Die Kirchengemeinde, die ihre Räumlichkeiten für Jugendliche öffnen will. Die junge Menschen für den Glauben begeistern möchte. Aber als es darum geht, dass die Jugendlichen die Räume selbst gestalten wollen, dann schnell wieder einlenkt: Wir dürfen die Alten nicht ganz vertreiben. Sie wird die Erfahrung machen, dass auf lange Sicht eben wieder nur dieselben Alten kommen, und die Jugendlichen weg bleiben.
Die junge Frau, die längst auf eigenen Beinen stehen möchte, aber ihre alten Eltern nicht alleine lassen will. Die sich lieber eine Wohnung in der Nähe ihres Elternhauses nimmt, als dem guten Jobangebot in einer weiter entfernten Stadt zu folgen. Und immer wieder hadert, zweifelt, unzufrieden ist. Vor allem damit, wie ihre Eltern sie behandeln. Dass sie sie nicht ernst nehmen, ihr nichts zutrauen, ihr keine eigenen Entscheidungen überlassen.
Wir haben im Deutschen dieses wundervolle Wort „Entscheidung“. Da steckt die Wortwurzel „Scheidung“, also „Trennung“ oder „Getrennt sein“ drin. Jede echte Entscheidung führt uns aus dem Zustand dieses „Getrennt seins“ oder „Geteilt seins“ hinüber in die „Ent-schiedenheit“. Dann freilich mit allen Konsequenzen, die auch dazu gehören. Nur, wer einen Weg bis zum Ende geht, kann im Rückblick darüber urteilen, ob es der richtige oder falsche Weg war. Er steht danach an einem anderen Punkt als zuvor.
In vielen Beratungsgesprächen gibt es solche Momente, die auf eine Entscheidung hinaus laufen. Manche Klientinnen und Klienten nehmen mutig den Schritt über die Schwelle und wagen sich an das vielleicht größte Projekt ihres Lebens. Andere verabschieden sich, sagen so etwas wie „Danke, sie haben mir wirklich sehr weiter geholfen“ – und sagen den folgenden Beratungstermin ab. Sie haben einen neuen Weg eingeschlagen, aber (noch) nicht den Mut gefunden, ihn bis zu Ende zu gehen.