Heterophobie

Gestern, am 17. Mai, war der „Internationale Tag gegen Homophobie“. Also, ganz ehrlich gesagt: Diese Bezeichnung irritiert mich. Zunächst wegen der offensichtlichen Anleihe im psychologischen Krankheitsjargon. Wenn Homophobie eine Krankheit ist – wie Klaustrophobie (Angst vor geschlossenen Räumen), Agoraphobie (Platzangst) oder Arachnophobie (Angst vor Spinnen), dann macht es keinen Sinn, einen Tag dagegen auszurufen. Man würde ja auch nicht einen „Internationalen Tag gegen Husten“ oder „Internationalen Tag gegen Magen-Darm-Verstimmungen“ festlegen. Wer an so etwas leidet, der gehört in ärztliche Behandlung, sollte Medikamente nehmen, eine Diät machen, oder was auch immer. Ein „Internationaler Tag“ macht diese Krankheit für die Betroffenen weder besser noch schlechter.

Noch viel mehr irritiert mich aber der offensichtlich irreführende Umgang mit der griechischen Wortwurzel. „homoios“ bedeutet im Griechischen „gleich“. Wörtlich übersetzt hieße also „Homophobie“ – „Angst vor dem Gleichen, vor der Gleichheit“. Das aber trifft nun weder auf die als homophob deklarierten Vorurteilsträger, noch auf die von Homophobie betroffenen Homo-, Bi- und Transsexuellen zu. Beide Fraktionen haben ja im Grunde eher Angst vor Anderem als vor Gleichem. Die Einen wollen lieber unter sich bleiben, im kuschelig vertraut heteronormativen „So ist das, so war das schon immer, und so bleibt das auch“. Die Anderen vermeiden auf ihre Art und Weise ebenfalls das Fremde, und suchen lieber ihresgleichen. Zumindest in sexueller Hinsicht.

Zutreffender wäre also wohl eher die Bezeichnung „Heterophobie“ – „Angst vor dem Anderen, vor dem Verschiedenen“. Die nun aber wage ich einer so großen Zahl von Menschen zu attestieren, dass ein „Internationaler Tag“ dagegen nur noch wenig Sinn machen würde. Denn es bliebe schlicht und ergreifend kaum jemand zum Demonstrieren übrig. Dass die meisten Menschen ein ziemliches Problem damit haben, dass es nun einmal Verschiedenheit in der Welt gibt; Dass sie immer wieder versuchen, diese Verschiedenheit, notfalls mit Waffengewalt, aus dem Weg zu räumen, ist in meinen Augen die Tragödie unserer Existenz. Und es scheint fast unmöglich, dagegen aufzubegehren.

Wenn sie die Schwulen und Lesben erledigt haben, dann würde vermutlich irgendeine neue Sondergruppe ausgeguckt und eliminiert werden: Die Kurzsichtigen (Ophthalmophobie), die Fernsehzuschauer (Telephobie), die Besitzer eines kleinen Gartenparadieses am Stadtrand (Elysiophobie). Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – außer durch die irgendwann zwangsläufig folgende Phantasiophobie. Ich finde gut, dass es einen Tag gibt, der uns daran erinnert, wie bescheuert wir Menschen eigentlich sind, dass wir immer diese Unterschiede betonen, sie suchen und uns daran aufhalten. Anstatt endlich zu akzeptieren, uns nun einmal in unbegrenzt vielen Farben, Orientierungen und Weltanschauungen gibt. Wir sind geschaffen, um zu lieben und geliebt zu werden. Und nur das zählt.