„Immer schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten“. Dieses Zitat von Bertolt Brecht ist ziemlich bekannt, und irgendwie auch sehr einleuchtend. Denn – Was sollten diejenigen, die besiegt werden, schon groß zu Papier bringen? Sofern sie nicht tot sind, im Gefängnis sitzen, oder durch andere widrige Umstände am Schreiben gehindert werden, dann haben sie in den meisten Fällen nicht mehr viel zu sagen. Besiegt zu werden, verlieren zu müssen, das ist ja nichts, was man gerne mit anderen teilen möchte. Und zwar weder mündlich noch schriftlich.
Auch die Bibel macht da keine Ausnahme. Anstatt die Geschichte der Menschwerdung Christi in der ganzen Armseligkeit zu erzählen, in der sie sich vermutlich ereignet hat, werden Chöre von Engeln aufgefahren, rätselhafte Zeichen am Himmel gedeutet, und prophetische Reden geschwungen. Mark Forster wäre begeistert. Ich bin es, ehrlich gesagt, nicht. Mir gefällt an der Weihnachtsgeschichte gerade die erbärmliche Menschlichkeit, mit der sich alles zuträgt. Und die wird durch die vielen literarischen Einschübe eher verdunkelt als erhellt.
Ein Kind im Stall zur Welt bringen, als minderjährige Mutter, in einer fremden Stadt, bei fremden Leuten. Dann die Reise nach Ägypten, wieder Unsicherheit, wieder Angst. Über die Jahre danach gar nicht zu reden: Diese vielen Blamagen in der Öffentlichkeit, und am Ende der Tod als Volksverhetzer und Ungläubiger. Wer die Geschichte von Jesus tatsächlich mal so erzählen wollte, wie sie sich ereignet hat, der würde auf deutlich mehr Misserfolge als auf Erfolge stoßen. Das passt alles zusammen. Und das ist auch der Kern des göttlichen Plans. Aber warum wird diese Geschichte bloß immer anders herum erzählt?
Vielleicht, weil wir Menschen irgendwie so ein Bedürfnis nach Erfolgsgeschichten haben. Weil wir die innere Dramatik nicht aushalten, die besagt: Erfolg in dieser Welt zählt bei Gott nicht, ganz im Gegenteil. Weihnachten ist die Provokation der Erfolglosigkeit. Die Geschichte des Nicht-Ankommens Gottes in der Welt, die mit dem ersten Herzschlag des Neugeborenen im Stall beginnt und mit dem letzten Atemzug am Kreuz endet. Willkommen in der Welt der Gescheiterten und Mutlosen, der Welt der Gebrochenen, die nicht mehr sprechen können oder wollen. Willkommen in unserem menschlichen Leben!