Was ist das Schlimmste, was man einem depressiven Menschen antun kann? Man bringt ihn mit einem anderen depressiven Menschen zusammen. Auch wenn der Gedanke verlockend scheint – die mathematische Tatsache, dass Minus mal Minus Plus ergibt, geht im Bereich des Zwischenmenschlichen leider nicht auf. Der oder die Depressive will ständig gefüttert werden: mit Aufmerksamkeit, mit Motivation, und natürlich auch mit Bestätigung oder Lob. Nichts liegt ihm oder ihr allerdings ferner, als all das einem anderen Menschen ebenfalls zu geben.
Am Ende stehen dann traurige Gesichter. Was beim ersten Kennenlernen verlockend und naheliegend schien – man hatte ja eine ähnliche Sicht auf die Welt, auf das Leben, auf die Menschen, von denen man bisher überwiegend enttäuscht worden war; Darüber konnte man sich austauschen, vereint in der Hoffnung, dass diesmal, in dieser neuen Konstellation alles anders und besser entwickeln würde. Diese Hoffnung zerplatzt früher oder später wie eine Seifenblase. Und wenn es nicht so tragisch wäre, dann müsste man eigentlich darüber schmunzeln.
Aber halt: Dies soll kein zynischer Text werden. Im Gegenteil: Ich ziehe den Hut vor all den Nicht-Depressiven, die monate-, jahre- und manchmal sogar ein ganzes Leben lang an der Seite eines oder einer Depressiven ausgehalten haben. Die klinische Depression mit ihren Stimmungshochs und Tiefs, mit den suizidalen und euphorischen Phasen, sei an dieser Stelle ausdrücklich ausgeklammert. Das tägliche Füttern, die ständige unausgesprochene Antwort auf die Frage „Bin ich gut genug?“, die ein depressiver Mensch einfordert, verdienen Hochachtung und Respekt.