Jeder von uns hat sie – seine inneren Zuschauer. Das sind kleine unsichtbare Wesen, die uns bei allem, was wir tun, ständig auf die Finger gucken. Die überall ihren frechen Kommentar dazu geben. Und uns je nach Tagesform mit Lob überschütten oder vernichtende Kritik üben. Während ich diesen Artikel hier schreibe, sitzen sie rechts und links neben mir vor dem Rechner, warten auf das nächste Wort, auf den nächsten Satz – und sagen ständig solche Sachen wie: „zu lang, zu kompliziert, zu platt, zu abgehoben…“.
Heute sind meine inneren Zuschauer irgendwie auf Krawall gebürstet, das merke ich schon. Es geht allerdings auch umgekehrt. Neulich, bei einem intensiven Beratungsgespräch, da saßen sie mir anerkennend schräg gegenüber: „gut auf den Punkt gebracht, exakt das Thema getroffen, wichtige Intervention, mutig von dir, super Frage, genau so…“ Manchmal versuche ich, die kleinen Quälgeister zu bestechen. Schokolade hat schon ein paar Mal funktioniert. Allerdings war am nächsten Tag, bei der Joggingrunde, der Ton umso höhnischer: „selbst schuld, zu wenig trainiert, mal wieder zu viel gefuttert…“
Es gibt wenige Momente – aber es gibt sie – in denen plötzlich Schweigen herrscht. Da macht die ganze Meute mit mir zusammen Urlaub am Meer, oder schaut sich den Sonnenaufgang durch das bunte Herbstlaub an. Dann kann ich mit einem Mal etwas Anderes hören. Meinen Herzschlag und meinen Atem. Ich kann diesen Augenblick total genießen und meine inneren Zuschauer einfach mal für kurze Zeit sich selbst überlassen. Applaus für das Leben!