Keine Zeit verlieren!

„Wir haben nicht viel zu verlieren. Wir verlieren höchstens Zeit.“ Das klingt harmlos. Ein paar Minuten, Stunden oder Tage vertrödeln. Noch mal ein Semester dran hängen. Wen juckt das schon? Ob ich heute oder morgen den angekündigten Besuch mache, das längst überfällige Gespräch führe, meine Sachen regele, und alles in Ordnung bringe? Wir haben doch „alle Zeit der Welt“…

Verrückterweise ist es genau das, was Sterbende am Ende ihres Lebens am Meisten bereuen: kostbare Zeit verloren zu haben. Je kürzer die Frist wird, und je näher und greifbarer der Tod vor Augen steht, umso lauter wird die Klage: „Was gäbe ich dafür, noch mehr Zeit zur Verfügung zu haben!“ Manchmal sage ich religiös offenen Klienten, die sich in endlose Schuldgefühle und Grübeleien verstrickt haben: „Ich glaube, dass es nur eine wirkliche Sünde auf der Welt gibt, nämlich: zu viel Zeit mit Nutzlosigkeiten zu verlieren.“

Die einzelnen sündigen Handlungen, die man so Tag für Tag macht, die haben meistens gar nicht so einen schuldhaften Charakter. Aber sie halten auf. Das immer wieder Hervorholen einer längst vergangenen Situation, das Grübeln „Was wäre gewesen, wenn…“ Daraus entstehen dann die kleinen Bösartigkeiten, das Sticheln, falsche Behauptungen, Lästereien, Nachkarren. Keine Zeit zu verlieren, das ist eine echte Kunst. Lebenskunst.