Abrenuntio

Ich widersage. Ich widersage dieser Scheinlogik, die behauptet: „Wir müssen härter durchgreifen. Früher oder später wächst uns hier alles über den Kopf.“ Dem demagogischen Geheule vom Untergang des Abendlandes, von der Zunahme der Gewalt und Gleichgültigkeit in unserer Gesellschaft. Ich widersage denjenigen, die glauben, man könne das Böse durch das Böse besiegen. Jede Form von Gewaltausübung, sei es staatlich oder individuell, bedient die Spirale des Negativen, der Bosheit und der Rachsucht. Wer ernsthaft nach einem Weg sucht, um das Böse zu besiegen, der findet ihn auf der gegenüberliegenden Seite: im Verstehen und im Annehmen, im Verzeihen und in der Barmherzigkeit.

Ich verstehe gut, dass Menschen, die in ein System eingesperrt sind, manchmal nur so und nicht anders handeln können. Ich verstehe die Hilflosigkeit und die Wut, die sich in der immer wieder auftauchenden Forderung nach mehr Härte und Konsequenz ihre Bahn bricht. Ich verstehe das alles wirklich sehr gut. Aber es bringt ja trotzdem nichts. Ich habe in meinen mittlerweile 38 Lebensjahren viel zu oft erlebt, wie das Böse vom Guten besiegt wurde, um noch an die Wirkung von Rache und Vergeltung in dieser Welt zu glauben.

In Wirklichkeit geht es um etwas ganz Anderes: Dem Bösen keinen Raum zu geben. Die leeren Räume zwischen Menschen, von denen es immer noch viel zu viele gibt, mit Licht, mit Wärme und Beziehung zu füllen. Mich erschrecken in diesen Tagen nicht die Zeitungsberichte über Gewaltverbrechen oder Korruption. Auch nicht irgendwelche Wahlergebnisse aus Amerika. Mich betrifft die Tatsache, dass es offenbar nur wenigen Menschen gelingt, die Realität zu sehen: Je mehr Gutes wir in den großen Topf unseres Miteinanders werfen, desto weniger Platz ist darin für Ablehnung, Hass und Gewalt.