Wieder einmal im morgendlichen Stau auf der A 40 gestrandet. Der Blick nach links über die Leitplanke sagt: Da drüben läuft’s irgendwie besser. Frust macht sich breit. Anfahren, Schalten, Erster Gang, fünfzig Meter vorwärts, Bremsen, Gang raus, Stop. Nochmal der Blick nach links. Beim zweiten Hinsehen bleibe ich mit den Augen am Mittelstreifen hängen. Da blüht etwas, zwischen Gelsenkirchener Beton und vorbei rauschenden Blechkarossen. So leuchtend gelb und so verschwenderisch, als gäbe es kein Morgen mehr. „Arme Blume“, denke ich, „du hast dir echt den falschen Platz ausgesucht!“ Hypericum perforatum – Johanniskraut. Ich muss schmunzeln, dass mir sogar der lateinische Name einfällt.
Schalten, erster Gang, Anfahren, fünfzig Meter, Stop. Vor ein paar Jahren, als eine Freundin ihre Wohnung renoviert hat, ließ sie ihre Orchideensammlung auf der Fensterbank im Wohnzimmer stehen. „Baustaub macht den Pflanzen nichts aus, aber um einen Ortswechsel zu verkraften, brauchen Orchideen lange Zeit“ So die Freundin mit dem grünen Daumen. Wir Renovierungshelfer tauschten damals belustigte Blicke aus. Tatsächlich hat eine der Pflanzen aber noch während der Renovierung angefangen, zu blühen. Mitten im Baustaub. Schalten, erster Gang, Anfahren.
Vom heiligen Franz von Sales ist das Wort überliefert: „Blühe dort, wo du gepflanzt bist“. Wenn in meinem Leben gerade mal wieder größere Umbaumassnahmen stattgefunden haben, und sich so langsam der Baustaub der ersten Tage und Wochen niedersenkt – dann denke ich manchmal an diese kleine Begebenheit zurück. Dort zu blühen, wo ich gerade stehe. Anzunehmen, dass bei mir gerade Ausnahmezustand herrscht. Dass es vielleicht langsamer voran geht als ich mir selber wünschen würde. Trotzdem blühen. Schalten, Anfahren, erster Gang, Schalten, zweiter Gang. Weiter geht’s.