Das naturwissenschaftliche Weltbild hat seit der kopernikanischen Wende im 16. Jahrhundert den Zusammenhang von Ursache und Wirkung fest in den Köpfen der Menschen verankert. Es gibt scheinbar für alles einen Grund: Die Umlaufbahn der Planeten, die Folge der Gezeiten im Meer, zunehmende und abnehmende Mondphasen. So wichtig und so richtig diese alltäglichen, scheinbar objektiven Erklärungsmodelle auch sind – Sie versagen an einer ganz entscheidenden Stelle; nämlich überall dort, wo es um das komplexe Zusammenspiel von menschlichem Verhalten und Gefühlen geht.
Wie Menschen einander begegnen und wie sie aufeinander reagieren, welche Stimmungen sie dabei leiten, und wieso es heute so und morgen schon wieder ganz anders sein kann – all das lässt sich nicht einfach in Kausalzusammenhängen beschreiben. Die Ehefrau, die ihren Mann beschimpft, weil er jeden Abend zu spät nach Hause kommt. Der Mann, der abends länger im Büro bleibt, weil er die miese Stimmung zu Hause nicht erträgt. Solche Mechanismen werden umgangssprachlich auch als Teufelskreis bezeichnet. Eines steht fest: Sollte es den Teufel tatsächlich geben, dann hat er eine geradezu diabolische Lust daran, Kausalitäten dort zu suggerieren, wo eigentlich keine existieren.
Vielleicht war das ja – auf einer sehr unbewussten Ebene – mit ein Grund dafür, dass die katholische Kirche das neue Weltbild so erbittert bekämpft hat. Weil man damals schon geahnt hat, dass im Reich der Kausalitäten zwar Erklärungsmodelle, aber keine Wahrheit zu finden sein würden. Verstehen, Begreifen, Einsicht zeigen – und im Zusammenhang damit dann auch Schuld, Reue und Vergebung zulassen, sind Kategorien, die dem Leben der Menschen deutlich näher kommen. Für das Liebespaar am nächtlichen Strand hat es nur wenig Bedeutung, dass der Mond sich um die Sonne dreht, durch die verschiedenen Positionen auf seiner Umlaufbahn manchmal ganz und manchmal nur halb zu sehen ist, und wie dadurch Ebbe und Flut zu Stande kommen.
Am 31. Dezember 2015 war auf der Domplatte in Köln abnehmender Mond. Diese Tatsache hat für die dortigen Ereignisse einen genauso hohen Erklärungswert wie die Herkunft der Täter, die Kleidung der Opfer, die politische Situation in Europa und das über Jahrhunderte gewachsene Geschlechterverhältnis im Islam. Dass mit dem Glauben an Kausalitäten kein Mensch zur Zivilcourage zu bewegen ist, dafür sind die Geschehnisse dieser Silvesternacht ein eindrücklicher Beweis. Enthemmung und Brutalität entstehen vor allem dort, wo man nichts mehr zu verlieren hat. Und dieses Gefühl wiederum entspringt – direkt kausal – aus der Tatsache, dass das größte Ziel im Leben schon lange aus den Augen geraten ist: IHWH, Allah, oder wie auch immer man ihn nennen will.