Manchmal ist es notwendig, sich bewusst auf Langsamkeit einzulassen. Nicht aus irgendeinem ideologischen Grund, sondern weil die Situation es einfach erfordert. Wer zu Hause schnelles W-LAN rund um die Uhr gewohnt ist, für den besteht eine deutliche Verlangsamung bereits in der niedrigeren Übertragungsgeschwindigkeit eines analogen Modems mit Kabelanschluss. Dem Autofahrer nötigt der Umstieg auf Bus und Bahn die Verlangsamung durch viele Haltestellen oder Bahnhöfe ab. Und am deutlichsten bekommen Eltern von kleinen Kindern diese Verlangsamung zu spüren. Jeder Handgriff dauert länger, ist umständlicher, Kräfte zehrender: “Lass mich, Mama, ich kann das schon alleine!”
Für jemanden wie mich, der im Takt des Ruhrgebiets und seiner Großstädte aufgewachsen ist, stellt der Besuch bei meinen Freunden auf dem Land jedes Mal eine Herausforderung dar. Alles ist hier weit weg: der nächste Laden, die Apotheke, die Sparkasse. Nach gefühlten 25 Minuten Fahrzeit stehe ich vor einer geschlossenen Glastür: Mittagspause. Auch so eine Verlangsamung, die ich nicht gewohnt bin. Die Aggression, die in mir hoch steigt, kann ich zunächst nicht in Worte fassen. Erst auf der Rückfahrt dämmert es: Ich bin diese Langsamkeit, dieses völlig andere Leben, einfach nicht gewohnt.
Gleichzeitig steigt in mir so etwas wie eine Sehnsucht hoch: Klar, die Tage zu Hause, in meinem Job, sind spannend und gefüllt mit Aktivitäten. Die vielen Begegnungen und Gespräche jeden Tag, die weit reichenden Entscheidungen – all das gibt mir Halt und das Gefühl, irgendwie wichtig zu sein. Aber manchmal komme ich mir auch ziemlich getrieben vor. Dann wächst der Wunsch, einfach mal auszusteigen, und die Dinge langsamer anzugehen. Vielleicht kann das mein Vorsatz für das neue Jahr werden: Langsamkeit bewusst zu akzeptieren – immer dann, wenn die Situation es erfordert.
Die nächsten zwölf Monate wird mich niemand auf einem Seminar zum Thema “Entschleunigung” antreffen. Irgendwelche künstliche Praktiken oder Übungen dazu mag ich mir nicht aneignen. Aber vielleicht fahre ich öfter mal zu meinen Freunden aufs Land, und akzeptiere einfach die Tatsache, dass dort nicht alles so schnell geht.