Manchmal ist es schwer, uns davon abzuhalten: Den Banker vom Geld zählen. Den Pfarrer vom Predigen. Die Hausfrau vom Kochen oder Bügeln. Den Lehrer vom Erklären. Und so weiter und so fort. Aber so schwer es uns fällt, so notwendig ist es auch: Denn wir sind mehr als das, was wir tun. Besser gesagt: Nur wenn wir wir sind, dann sind wir. Solange wir etwas sind, sind wir nichts. Klingt kompliziert – ist aber in Wirklichkeit ganz einfach:
Für jede*n von uns kommt der Moment, an dem uns die Dinge aus der Hand genommen werden. An dem das Leben zu uns sagt: „Leg‘ die Münzen und Scheine weg, häng‘ den Talar oder die Kochschürze in den Schrank. Mach‘ den Mund zu und die Augen auf! Ich will dir etwas zeigen.“ Und dann führt uns das Schicksal vor einen großen Spiegel. In diesem Spiegel sehen wir uns – klein wie ein Kind oder alt wie ein Greis – mit den Dingen, die noch übrigbleiben, wenn das Hamsterrad eines Tages plötzlich stehen bleibt. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, etwas für unseren Wert zu leisten. Wenn jenes Konto gesperrt ist, auf das wir Tag für Tag unsere kleinen und großen Heldentaten einzahlen wollen.
Und die entscheidende Frage lautet: Wer bin ich dann noch, wenn ich vor diesem Spiegel stehe? Sehe ich mich als starke*n Held*in oder als Verlierer*in? Bin ich gut genug, um meinem eigenen Blick standzuhalten? Oder entblößt sich vor mir die ganze Abgründigkeit meines Hechelns nach Ruhm und Anerkennung, nach den Posten und Pöstchen, die die Welt so zu vergeben hat? Kann ich lachen über meinen seltsamen Gesichtsausdruck, oder muss ich mühsam die Fassung bewahren?
Jedes Mal, wenn mir solche trüben Gedanken kommen, nehme ich meine Bibel zur Hand und lese Psalm 150: „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.“ Das tröstet mich nicht. Aber es hält mich davon ab, noch länger in die verkehrte Richtung zu laufen: „Volker – du bist nicht in erster Linie Berater, Erzieher, Theologe. Vor allem bist du – mein Kind!“