Monolokation

Auch wenn die modernen Kommunikationsmittel uns immer schneller immer größere Distanzen überwinden lassen. Auch wenn der technische Fortschritt mit atemberaubender Geschwindigkeit voranschreitet. Eines gelingt uns dennoch nicht: An zwei Orten gleichzeitig zu sein. Wir können unsere Stimme und unser Gesicht per Videochat nach Hongkong teleportieren. Wir können binnen 24 Stunden an nahezu jedem Ort dieser Welt mit dem Flugzeug landen. Aber die echte Gleichzeitigkeit, lateinisch: Bilokation, gelingt uns Menschen nicht. „Zum Glück“ mögen Manche ausrufen, „aber eigentlich schade“ werden Andere denken.

Die Kirchengeschichte sagt, dass es Menschen gegeben hat, denen diese besondere Gabe der Bilokation verliehen wurde. Nicht um ihre Arbeitseffizienz zu steigern; Sondern weil – so sagen es die theologischen Quellen – diese Menschen den Wunsch, Gutes zu tun, stark verspürten, während sie gleichzeitig an eine bestimmte Pflicht gebunden waren, die ihnen die Ausübung dieser Liebestat unmöglich machte. Bilokation wäre also als Lösung des Dilemmas, zwischen Pflicht und Liebe zu entscheiden, eine Art göttlicher Ausweg. Nicht schlecht!

Ich glaube aber: Bevor einem solche Auswege zuteil werden, sollte man zunächst einige Jahre die Monolokation geübt haben. Monolokation? Das wäre genau das Gegenteil von Bilokation. Nämlich: Tatsächlich dort sein, wo man gerade ist, und nirgendwo anders. Das ist für viele Menschen eine Herausforderung. Nicht auf dem Handy rum drücken, keine Gedanken an die Zukunft verschwenden. Sondern genau dort sein, wo die eigenen Füße gerade den Erdboden berühren. Und glauben, dass jetzt und hier das Entscheidende meines Lebens sich abspielt.